Im Jahr 2016 fiel der Earth Overshoot Day (Welterschöpfungstag) auf den 8.August.

Das Global Footprint Network berechnet jährlich die auf der Erde verfügbare Biokapazität – das Potenzial der Natur, die entnommenen Ressourcen zu erneuern und Schadstoffe abzubauen – und stellt es dem Ökologischen Fußabdruck (Footprint) gegenüber – dem Maß für die menschliche Inanspruchnahme der Naturleistungen. Ist die Beanspruchung größer als der Nachschub, spricht man von einem „Overshoot“ – der ökologischen Überschuldung. Somit lebt die Menschheit bereits weit über ihre Verhältnisse – sozusagen auf Öko-Pump, und beansprucht in einem Jahr so viele Ressourcen, dass es 1,6 Erden bedürfte, um diese nachhaltig bereit zu stellen.

Globale Verhältnisse

Diese Überbeanspruchung des Planeten zeigt sich schon heute in geplünderten Meeren, vernichteten Urwäldern, kaputten Böden, schwindender Biodiversität und allem voran im Anstieg des CO2 in der Atmosphäre. Bei bestehenden Trends wird die ökologische Schuld um 2030 bereits einen ganzen zusätzlichen Planeten ausmachen.

Jeder Mensch nimmt durch sein Verhalten (Wohnung – Ernährung – Mobilität – Konsum) und den allgemeinen gesellschaftlichen Anteil (Grauer Fußabdruck) bioproduktive Flächen in Anspruch, die global begrenzt sind und nicht beliebig erweitert werden können!

Dabei ist der Footprint pro Kopf sehr verschieden, von weniger als einem Global Hektar (gha) in vielen Ländern Afrikas und Asiens bis über 10 gha pro Kopf in Qatar und Luxembourg.

Dieser länderweise sehr unterschiedliche Durchschnitts-Footprint zeigt die große Ungleichheit und Ungerechtigkeit auf der Welt. Eine menschliche Katastrophe!

Zur ökologischen Katastrophe wird es, wenn insgesamt mehr Biokapazität beansprucht wird, als auf der Erde vorhanden ist. Dann spricht man vom globalen ökologischen Defizit (Ecological Overshoot).

Das Ende dieses Overshoots ist eine unbestreitbar notwendige Voraussetzung für das Überleben auf unserem Planeten und die zentrale Forderung für jede nachhaltige Entwicklung: Wir können auf Dauer nicht mehr Naturressourcen verbrauchen als die Erde nachliefern kann.

Damit zeigt der Ökologische Fußabdruck wie kein zweites Maß, wie weit ab von jeglicher Nachhaltigkeit die Besatzung des „Raumschiff Erde“ agiert!

Seit wann ist die Welt im Overshoot?

Über den längsten Teil der Geschichte hat die Menschheit weniger natürliche Rohstoffe verbraucht und weniger CO2 produziert, als die Erde von sich aus neu schaffen und regenerieren konnte.

Dabei gab es lokal sehr wohl Übernutzungen, man denke an Mesopotamien, an die Osterinseln, Irland oder auch Mitteleuropa, wo die Wälder vor der Nutzung der Kohle bereits extrem übernutzt waren. Immer jedoch gab es auch andere Regionen, in denen die Natur Überschüsse produzieren konnte, es gab ungenutzte Landstriche und Erdteile, die die Menschen zusätzlich nutzbar machen konnten.

Diese ungenutzten Reserven gibt es nicht mehr! Neueste Analysen zeigen, dass die Menschheit erstmals im Jahr 1970 ins ökologische Defizit geriet. Der Fehlbetrag zwischen “Einnahmen” und “Ausgaben”, das ökologische Defizit wächst seitdem kontinuierlich von Jahr zu Jahr.

Die Schwankungen beim Datum

Die relativ große Änderung vom 13. August im Jahr 2015 auf den 8. August im Jahr 2016 ist zum Glück nicht Ausdruck eines galoppierend zunehmenden Footprints, sondern Folge einer methodischen Änderung in der Berechnung.

Der globale Anstieg des Footprints entsprach etwa jenem der Vorjahre und lässt sich aus dem Anstieg der Bevölkerung und dem (eher bescheidenen) Anstieg des globalen BIP ableiten.

Für Österreich ist der durchschnittliche Fußabdruck für das Jahr 2012 (das letzte Jahr mit detaillierten Länderangaben) mit der methodischen Veränderung nominal von 5,3gha (Länderangabe aus dem Jahr 2011) auf 6,1 gha/Kopf angestiegen.

Um Angaben vergleichen und Trends korrekt darstellen zu können, werden die früheren Konsumdaten aber nochmals mit der jeweils neuesten Methodik berechnet. Die korrigierte Zeitreihe zeigt, dass der Fußabdruck pro Kopf in Österreich im letzten Jahr eher leicht gefallen ist und insgesamt seit 2005 ziemlich konstant war – mit Ausnahme des kleinen Einbruchs in den Krisenjahren 08/09.

Unabhängig davon, ob die zarte Rückläufigkeit in Österreich schon eine Trendwende andeutet oder nicht, ist das Niveau insgesamt mehrfach zu hoch und jede Verbesserung viel zu langsam. Keine existierende Politik-Maßnahme (weder in Klima-Angelegenheiten noch bei der Ressourcen-Strategie) ist annähernd genug, die Herausforderungen zu meistern.
An Ideen und Konzepten freilich mangelt es nicht. Siehe u.a.footprint.at 

Der Overshoot Day kann immer nur eine Schätzung darstellen, da weder die Daten genau genug verfügbar sind noch die Mechanismen der Ökosysteme gut genug verstanden werden. Der Trend ist freilich klar: Seit 2001 verschob sich der Overshoot Day durchschnittlich um 3 Tage in Richtung Jahresanfang. Solange der Ökologische Fußabdruck der Menschheit die Biokapazität der Erde übersteigt, wird das Kapital der Natur aufgezehrt, anstatt sich mit den „Zinsen“ zufrieden zu geben. Das Aufzehren der ökologischen Bestände wie Böden, Wälder, Meere ist eine prinzipiell nicht nachhaltige Vorgehensweise.

Das Konzept des ‚Earth Overshoot Day‘ wurde von der englischen NGO NEF (New Economic Foundation) im Jahr 2006 vorgeschlagen und wird seit diesem Jahr jährlich von Global Footprint Network abgeschätzt und bekannt gegeben.

Die Berechnungen erfolgen anhand der jeweils besten verfügbaren statistischen Daten, der Bevölkerungs- und Konsumentwicklung auf globaler Ebene und der Wechselwirkung zwischen der Entwicklung des globalen BIP und dem globalen Ressourcenbedarf sowie einer Abschätzung der global verfügbaren Biokapazität.

Der wissenschaftliche Diskurs über die verfügbare Biokapazität und deren Beanspruchung (Footprint) ist rege und so kommt es bei den Abschätzungen immer wieder zu neuen Erkenntnissen und einer Schwankung der Ergebnisse. Die Trends sind aber völlig eindeutig!
Unabhängig von den Zahlen hinter dem Komma steht zweifelsfrei fest, dass wir längst über den physischen Möglichkeiten leben, die uns die Erde auf Dauer bieten kann.

Overshoot und Klimawandel

Nicht nur die natürlichen Ressourcen sind endlich. Auch die „Senken“ – also die Fähigkeit der Natur, Schadstoffe wieder aufzunehmen, sind begrenzt. Allen voran kann das CO2 aus der Verbrennung von Öl, Kohle und Gas nicht mehr vollständig von den natürlichen Ökosystemen aufgenommen werden. Mit dem Kohlenstoff-Footprint wird die Fläche angegeben, die nötig wäre, um alle CO2-Emissionen wieder in den Kreislauf der Natur zurück zu führen (zu sequestrieren).

Der CO2 Anteil des Footprints der Menschheit hat sich allein zwischen 1961 und 1973 verdoppelt und war die Hauptursache, dass die Welt Anfang der Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts erstmal in das ökologische Defizit geriet.

Seit damals ist der CO2 bedingte Footprint der am stärksten steigende Anteil am globalen Defizit. Global betrachtet beträgt der Anteil bereits fast 60 %. In Österreich sind es mehr als 60 %.

Doch trotzdem werden weltweit Wälder gerodet oder abgebrannt, was sowohl CO2 freisetzt als auch die Fähigkeit weiter vermindert CO2 wieder zu sequestrieren. Entsprechend steigt der CO2-Anteil in der Erdatmosphäre messbar an und trägt zum Klimawandel bei, dem wohl deutlichsten Hinweis auf den vorliegenden Overshoot.

Der Ausstoß an Treibhausgasen ist extrem ungleich verteilt. Während eine BewohnerIn der wohlhabenden Länder zwischen 10 und 20 Tonnen CO2 pro Jahr zu verantworten hat, entfällt auf jede Bewohnerin in den Ärmsten 50 Ländern der Welt deutlich weniger als eine Tonne. China ist rechnerisch mit etwa 6 Tonnen CO2 pro Kopf zwar erst im Mittelfeld, insgesamt aber bereits der größte Emittent von Treibhausgasen, wobei aber mehr als ein Viertel dieser Emissionen bei der Herstellung von Produkten anfällt, die exportiert und in den reichen Ländern konsumiert werden.

Auch das bevölkerungsreiche Indien ist trotz der noch unterdurchschnittlichen 1,5 Tonnen CO2 pro Kopf bereits auf Platz 4 hinter China, den USA und der EU, was die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger betrifft. Gerechnet auf das gesamte Fossilzeitalter bleiben die USA und EU aber weiter in Führung. Indien hatte bis in die 70er Jahre weniger als ein Achtel des heutigen CO2-Ausstoßes, China gar nur ein Zwölftel.

Eine dramatische Reduktion der CO2 Emissionen pro Kopf in den konsumorientierten
Ländern bleibt eine zentrale Voraussetzung, damit sich der Entwicklungspfad der Schwellenländer nicht am historisch „schlechten Vorbild“ orientiert, sondern rasch ein nachhaltiger Weg eingeschlagen wird.

Die Rolle des Bevölkerungswachstums

Würden alle Menschen so ressourcenintensiv leben wollen wie der durchschnittliche Amerikaner, bräuchte es vier Planeten von der Qualität der Erde. Da es diese ganz offensichtlich nie geben wird, ergibt sich für so manche KonsumentIn in den Überflussgesellschaften die übereilte Schlussfolgerung, dass es zu viele Passagiere im Raumschiff Erde gäbe.

Tatsächlich legt schon einfache Mathematik nahe, dass halb so vielen Passagieren pro Kopf dann doppelt so viel zur Verfügung stehen würde.

Doch zum einen ist „Halbierung der Menschheit“ in den nächsten hundert Jahren weder eine machbare, noch eine humane, wünschenswerte Option. Und zum anderen stellte sich dann ja dann die Frage, welche Hälfte denn „zu viel“ wäre?

Mit einer einfachen Formel lassen sich die Zusammenhänge deutlich erkennen:
Gesamte Wirkung = Anzahl der Menschen x durchschnittlicher Konsum pro Mensch x durchschnittliche Wirkung pro Konsum (Technologie-Faktor).

Diese auch IPAT      (Impact   = Population x Affluence x Technology-Faktor) genannte Beschreibung geht auf die Ökologen Paul Ehrlich und John Holdren zurück.

Es gilt demnach – auch bei Annahme der optimalen Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten (beste Effizienz und Effektivität, erneuerbare Ressourcen, Solarenergie etc.) folgender Zusammenhang:

Je mehr Menschen im Raumschiff Erde leben, desto weniger der vorhandenen Ressourcen bleiben für jeden Einzelnen. Noch einfacher beschrieben: Auch mit bester Technik lassen sich in einem begrenzten Terrarium nur beschränkt viele Lebewesen gesund erhalten. Umgekehrt gilt genauso: Je mehr der einzelne Mensch konsumiert, desto weniger steht für andere zur Verfügung.

Tatsächlich ist die heutige Situation weniger durch absoluten Mangel als durch ein enormes Ungleichgewicht zwischen dem Viertel der kaufkräftigen „globalen KonsumentInnen“ und der großen Mehrheit der Mittellosen gekennzeichnet. Auch ist die Anzahl der Passagiere im Raumschiff Erde kurzfristig kaum zu beeinflussen. Die Zahl der Menschen wird sich in der Mitte des Jahrhunderts bei 9 bis 10 Milliarden einpendeln, nur wenige Prozent Variation sind möglich.

Im Gegensatz dazu können in den Bereichen Lifestyle und Technologie Einsparungen von 90 und mehr Prozent erzielt werden. So kann in unseren Breiten ein Umstieg von tierischer Nahrung auf hauptsächlich pflanzliche Nahrung den Fußabdruck der Ernährung vierteln, der Wechsel zu echtem Ökostrom den Footprint des Stromverbrauchs um 90 Prozent senken.

Ein Vergleich mit der Welt der Wirtschaft?

Neben dem Verhältnis der jährlichen Neuverschuldung zur Wirtschaftsleistung ist auch von Bedeutung, wie groß die bereits angesammelte Gesamtschuld ist.
Das gilt genauso für das ökologische Defizit.

Da seit dem ersten Overshoot Day in den frühen 70er Jahren noch nie etwas an die Natur „zurückgezahlt“ wurde, addiert sich das jährliche Defizit zu einer ökologischen Gesamtschuld.
Ende 2016 werden sich dabei etwa 3843 Tage (das sind etwa zehn-ein-halb Jahre) Ökoschuld angesammelt haben.
Die Menschheit als Ganzes hat in den letzten 45 Jahren somit Öko-Schulden in der Höhe von 1000% angesammelt. (insgesamt das 10 -fache der jährlich zur Verfügung stehenden globalen Biokapazität)

Ein Vergleich mit ökonomischer Verschuldung drängt sich auf:
Das als finanziell stark verschuldet geltende Griechenland hat Gesamtschulden in der Höhe von 180% des jährlichen Brutto Inlandsproduktes.
Um diese Schulden vollständig zu tilgen, bräuchte es also die nationale Wirtschaftsleistung von 1,8 Jahren.
Um die Ökoschulden der Menschheit zu tilgen, braucht es dagegen bereits die globalen Ökosystemleistungen von 10 Jahren!

Die prinzipielle Herausforderung bei der Rückkehr zu einem ausbalancierten Budget sind in der Ökonomie und der Ökologie sehr ähnlich: In beiden Fällen geht es darum, das Defizit langfristig auszugleichen. Bei der notwendigen Wiederherstellung einer Balance ist eine zentrale Frage, wieviel der Wirtschaftsleistung bzw. Biokapazität kann/soll zur Rückzahlung der Schulden eine eingesetzt werden?
Dies ist die Kehrseite der Nachhaltigkeitsbedingung nach Brundtland:
Wieviel (Natur)leistung für die Zukünftigen kann abgesichert und wieder hergestellt werden, ohne die berechtigten Bedürfnisse der Gegenwärtigen zu beschneiden?

Eine Herausforderung, der sich zu stellen die Menschheit erst lernen wird müssen – und die in beiden Aspekten nicht gemeistert werden kann, ohne die zentrale Frage zu stellen, was die berechtigten Bedürfnisse der Gegenwärtigen sind.

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